„Entmutige niemals jemanden,
der kontinuierlich Fortschritte macht, egal wie langsam.“
Platon
Jeder von uns kennt wahrscheinlich seit Kindheit die Fabel von der Schildkröte und dem Hasen, die uns unter anderem die Philosophie „der Weg ist das Ziel“ versucht zu vermitteln. Eine Philosophie, die so unglaublich schwer umzusetzen ist in einer zielorientierten Gesellschaft.
Die Schildkröte und der Hase
Der Hase war im ganzen Wald bekannt für seine Kraft und seine Schnelligkeit. Eines Tages hoppelte der Hase an einer Schildkröte vorbei, die gerade mühsam ihren Weg durch den Wald suchte. Der Hase blieb stehen und fing an zu lachen. „Du bist das langsamste Tier, das ich jemals gesehen habe! Pass gut auf, dass du beim Laufen nicht aus Versehen einschläfst!“.
Da blieb die Schildkröte stehen. „Mach du dich ruhig lustig über mich. Bisher bin ich noch immer an meinem Ziel angekommen. Und wenn ich genau darüber nachdenke, glaube ich sogar, dass ich dich in einem Wettrennen besiegen würde“, sagte die Schildkröte schmunzelnd. Der Hase kugelte sich vor Lachen und sagte dem Wettrennen zu. Sie trafen sich kurze Zeit später an der alten Birke.
Das Wettrennen begann und der Hase hoppelte davon. Bereits nach kurzer Zeit hatte er die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Er drehte sich um und stellte fest, dass die Schildkröte erst wenige Schritte weit vorangekommen war. „Wenn das so leicht ist, habe ich noch genügend Zeit, um einen kurzen Abstecher zum Möhrenfeld zu machen“, dachte der Hase. Aufgestachelt vom Applaus des Publikums führte der Hase dabei etliche Kunststücke und waghalsige Sprünge vor.
Als er nach einigen Minuten zurück zur Laufbahn gelangte, sah er, dass die Schildkröte immernoch weit zurück lag. Mühsam setzte sie einen Fuß vor den anderen und kroch langsam voran. Die zahlreichen Möhren und die viele Bewegung hatten den Hasen müde gemacht. So legte er sich ins Gras, um sich zu erholen. Sekunden später war er auch schon tief und fest eingeschlafen. Plötzlich wurde er durch lauten Jubel und Applaus aus seinen Träumen gerissen. Er öffnete seine Augen und konnte kaum glauben was er sah. Die Schildkröte setzte ihren Fuß über die Ziellinie und hatte das Rennen gewonnen.
Das Klavierspiel ist ein langer und komplexer Weg. Es ist weit mehr als nur Noten vom Blatt mit Tasten zu spielen. Nebst Notenlesen gehören Musikgehör, Rhythmusgefühl, gute Spieltechnik und solides Theoriewissen dazu. Im Gegensatz zu vielen anderen Instrumenten, bei denen sich eine Note durch einen Griff ins motorische Gedächtnis einbrennt, hat ein Klavier 88 Tasten, die alle mit 10 unterschiedlichen Fingern gespielt werden können. Zudem müssen wir mehrere Noten gleichzeitig auf zwei unterschiedlichen Notensystemen erfassen können. Dieser Prozess braucht Geduld selbst für die Hasen unter den Klavierspielern.
Ich möchte in meinem Unterricht diese Geduld weitergeben und meinen Schülern beibringen, nicht nur Zielen hinterherzujagen sondern den Weg, Schritt für Schritt, mit Freude und Geduld zu beschreiten.
„Als ich jung war, hat man mir gesagt: Warte nur, bis du fünfzig bist, dann wirst du schon sehen. Jetzt bin ich fünfzig und sehe absolut nichts.“
– Erik Satje